L'oranger fantastique
Er hatte versprochen, dass er mir den Trick mit dem
Orangenbaum irgendwann verraten würde. Aber er
tat es nicht. Houdin war vorher verschwunden, unter
meinem Tuch, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
Ich blieb zurück und versuchte mir vergeblich vorzustellen,
was Blumen der Beredsamkeit sind, wie Blüten auf Kommando anfangen zu wachsen,
wie Gläser schweben oder lebendige Vögel aus Handschuhen heraus fliegen. Du fehlst – sehr und ich vermisse alles. Deine Hände, Deine
Gleichzeitigkeiten.
Vermisse, wie Du Deinen künstlichen Vögeln Singstimmen
suchst, wie Du durch die Straßen gehst und Dir jede Kleinigkeit aus
Schaufenstern einprägst – der duftende Regen – oder mir einen neuen Trick am
Küchentisch vorführst.
Ich lieh mir ein Tuch
von einer Dame, neunte Reihe, Parkett, zweiter Gang links, Nr. 11; daraus formte ich eine Kugel und legte
sie neben ein Ei, eine Zitrone und eine Orange auf meinen Tisch und steckte die
vier Dinge ihrer Größe nach ineinander.
Als sie alle im
Inneren der Orange waren drückte ich diese zwischen meinen Händen zusammen, so
dass sie immer kleiner wurde. Schließlich verrieb ich die Orange zu einem
Pulver, das ich in ein mit Weingeist gefülltes Glas streute. Das Glas stellte ich
auf eine Spielkarte und aus der Flüssigkeit begann ein Bäumchen zu wachsen. Ein
Schnipsen mit den Fingern und an den Enden der Blätter wuchsen Blüten, die sich
nach wenigen Minuten in Orangen verwandelten, ich verteilte sie an die
Zuschauer.
Eine einzige Orange blieb am Baum hängen und ich befahl ihr, sich in
vier Teile zu spalten. Im Innern der Frucht konnte man das Tuch erkennen, das
mir anvertraut worden war. Aus dem Tuch kam ein Vogel, fasste es an zwei Enden
und flog damit davon. (Text: Judith Karcheter)