Collages, Text, Photographs, Probs, AWAO Berlin 2012
Erinnerungen Raum geben
O céu é inominável. Der Himmel hat keinen Namen. Es ist eine ständige Bewegung – vor – zurück. Versuche Erinnerungen ins Jetzt zu holen, der Sehnsucht einen Raum zu geben. Die zu überbrückende Distanz ist – räumlich wie zeitlich – groß.
O céo é inominável erzählt von einer Reise, von der Sehnsucht nach einer fernen Person.
Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Objekte sind Wegspuren auf dieser Reise, die verwoben mit einer Textarbeit eine fragmentarische Erzählung preisgeben.
Teile eines Koffers, der in seinen Ausmaßen an einen ‚Überseekoffer‘ erinnert, liegen am Boden. Darin versenkt sich ein von der Decke herabhängendes Stoffbanner, in zartem Rosa, Hellblau und blassem Grün gestreift. Neben diesen Requisiten evozieren auch die von einer ähnlichen Farbpalette bestimmten Papierarbeiten – Motiven wie einem Seepferdchen, einem Taucher, Palmen und Stadtansichten – das Thema Reisen.
Ein Blatt aus einem alten astronomischen Bildband zeigt eine Schwarz-Weiß-Abbildung des Mondes. Die Krater des Mondes sind mit verschiedenfarbigen, aufgeklebten Punkten markiert. Auf einer anderen Arbeit, einer der Fotoarbeiten ziert ein filigranes Muster den Arm der Künstlerin. Judith Karcheter ließ sich einen Ausschnitt des Sternenhimmels auf den auf den Arm malen. Die Textarbeit benennt, welche Bedeutungen dem Himmel und seinem Gestirn in dieser Arbeit zukommen.
‚ich schaue mehrmals am Tag in den Himmel, in der Hoffnung, dass sich unsere Blicke dort kreuzen‘
Auch andere Motive, so das Meer oder die Palme, werden durch Wiederholungen in Text und Bild symbolisch aufgeladen und zu Fixpunkten der lückenhaften Erzählung.
Betrachtet man die Collagen auf einer formalen Ebene zeigen sie völlig unterschiedliche Vorgehensweisen. Während bei der Aufnahme aus New Orleans die Tusche die Gebäudefassade überdeckt, geht die Farbe in anderen Collagen eine substantiellere Verbindung mit der darunterliegenden Fotografie ein. Das Nichtvorhandene wird Thema. Zwischenräume werden sichtbar gemacht, negative Formen zu positiven umgedeutet, so dass sich der räumliche Aufbau der Bilder verändert.
Auf andere Weise changieren die Fotoarbeiten zwischen Dasein und Abwesenheit: Zwar ist Judith Karcheter auf drei der vier Aufnahmen Protagonistin, sie schaut dem Betrachter aber nicht ins Gesicht, sondern ist mit abgewendetem Blick, von hinten oder nur partiell zu sehen. Dieses bewusste Nichtzeigen appelliert an den Betrachter, der die gesetzten Auslassungen in den Bildern ergänzt.
Die Person aber, um die die Arbeit kreist und die in der Textarbeit in Andeutungen erwähnt wird, bleibt dem Betrachter fern. Indem Judith Karcheter das Erinnern in Fragmente zerlegt und auf Chiffren reduziert, schafft sie einen immergültigen imaginierten Raum für das Erinnerte.
Text von Dorothea Leicht